On a wave with: Annik Lynn
Durch zwei aufeinanderfolgende Zufälle haben wir Annik Lynn kennengelernt und sind mit ihr ins Gespräch gekommen. So haben wir von ihren Offline- und Online-Abenteuern gehört und dachten uns, ein OAWW mit ihr wäre definitiv angebracht.
Viel Spass mit dem Interview von Annik Lynn.

Hoi Annik, wie bist du zum Surfen, zum Fotografieren und zum Filmen von Surfen gekommen?
Wasser war schon immer mein Element und das Surfen hat mich lange fasziniert, bevor ich selber auf dem Board stand. Durch eine gute Freundin habe ich die Inspiration und Motivation gefunden, damit anzufangen. Das war 2019. Die Fotografie war aber schon viel früher ein wichtiger Teil meines Lebens. Ich bin von Natur aus eine Beobachterin: Dinge aus verschiedenen Perspektiven zu sehen und sie festzuhalten liegt mir irgendwie und ich dokumentiere mit meiner Kamera gerne, was mich inspiriert und bewegt. Als das Surfen in mein Leben kam, war klar, dass es auch ein grosser Teil meiner Foto- und Videografie wurde.
129k likes, 1269 comments, 327 shares. Kannst du uns diese Zahlen erklären?
Die Zahlen stammen von einem meiner Videos, das viral ging. Anfang des Jahres war ich drei Monate in Asien unterwegs, davon zwei Monate in West Papua. Dort sind wir in einem kleinen Ort gelandet, von dem ich erst wenige Wochen zuvor das erste Mal gehört hatte. Die lokale Surf-Community hat uns unglaublich herzlich aufgenommen. Im Video sieht man einheimische Kids, die auf einfachen Holzbrettern surfen, und zwar ziemlich gut - ohne Auftrieb, ohne Leash, ohne Finnen. Ich habe Surfen noch nie in so purer Form erlebt, wir waren völlig beeindruckt. Die Kinder haben uns auch bemerkt und ihre besten Moves ausgepackt. So habe ich auch meine Kamera ausgepackt und den Moment festgehalten. Ich bin auch die nächsten Wochen mehrmals zurückgekommen, habe gefilmt, Sessions mit ihnen geteilt, wir haben Boards getauscht und viel gelacht.

„Viral zu gehen“ wünschen sich heute (aus unterschiedlichen Gründen) viele Leute und Brands. Warst du überrascht das dein Video so crazy abging oder hast du es schon vorher geahnt?
Mein Profil war zu diesem Zeitpunkt noch sehr klein. Das Instagram Reel hatte ich ein paar Stunden vor dem Heimflug hochgeladen und da gab es schon ausserordentlich viele Reaktionen. Danach hatte ich beim Zwischenstopp in Doha kurz Internet, dann erst wieder in Zürich, und beide Male sind die Zahlen zu meinem Erstaunen noch weiter explodiert. Also nein, damit hatte ich gar nicht gerechnet! Die ersten Tage zurück in der Schweiz hat mein Handy dann ununterbrochen vibriert und es ging immer weiter hoch. Rückblickend überrascht es mich aber doch nicht mehr so stark, dass mein Video so erfolgreich war. Wir kennen das Surfen ganz anders, mit starkem Fokus auf unser Equipment und jede:r Surfer:in weiss, wie viel Zeit, Energie und Ausdauer man investieren muss, um surfen zu lernen und besser zu werden. Ein weiterer Grund ist sicher auch, dass es mir gut gelungen ist, ihre Skills und die pure Freude am Surfen dieser Kids auf Video festzuhalten und zu teilen. Das hat durch das Video bei Surfern:innen auf der ganzen Welt den gleichen Nerv getroffen und die gleiche Faszination geweckt, wie ich es auch vor Ort erfahren habe.

Wenn ich mich richtig erinnere, empfandest du das „Viral gehen“ nicht nur positiv. Kannst du das erklären?
Zuerst einmal war ich unglaublich berührt von all den Kommentaren und Nachrichten. Bei rund 1’300 Kommentaren war kein einziger negativer dabei. In einer Zeit, in der es so viel Hass im Internet gibt, fand ich das besonders bemerkenswert. Unter den Nachrichten waren sogar grosse Profile wie Surfline oder das Surfers Magazin, die mich angefragt haben, ob sie z.B. mein Video teilen dürfen. Was ich allerdings schwierig fand: Während meiner Zeit vor Ort stand ich viel im Austausch mit den Locals. Sie haben mir bestätigt, wie dringend sie gutes Surfequipment brauchen, vor allem für die Kinder. Mit der grossen Reichweite meines Videos habe ich deshalb eine GoFundMe-Kampagne gestartet, um die Kids zu unterstützen und etwas zurückzugeben. Was mich dann wirklich enttäuscht hat, war, dass einige, die an dem viralen Moment teilhaben wollten, nicht bereit waren, meine Kampagne zu teilen. Das hat mir gezeigt, wie schnell Aufmerksamkeit entsteht und wie schwer es sein kann, sie in echte Unterstützung für die Menschen vor Ort umzuwandeln.
Läuft die Spenden-/Sammelaktion noch? Wo kann unsere Visitor Community die Kinder in Papua unterstützen?
Ja, die Kampagne läuft noch, so lange, bis ich das nächste Mal nach Indonesien gehe. Der Link ist in meiner Bio auf Instagram und hier zu finden. Die Kinder in Papua teilen sich nur wenige, oft beschädigte Surfboards, die meist viel zu gross sind, und es fehlt an Leashes, Finnen und Wax. Ich habe vor Ort auch erwachsene einheimische Surfer kennengelernt, die sich für den Aufbau der lokalen Surfcommunity engagieren und die Kinder fördern. Zusammen mit ihnen und lokalen Shapern und Shops in Bali möchte ich das notwendige Material organisieren, damit die Kids sicherer surfen und ihre Skills weiterentwickeln können. Mir geht es dabei 100% darum, auf die tatsächlichen Bedürfnisse der lokalen Community einzugehen.

Die Reise nach Papua war relativ spontan. So hat es mir Jelle vom Xylo erzählt. Ich glaube du hast ihn angerufen und gesagt; „wir fahren morgen mit dem Boot los. Kommst du mit?“
Papua war von Anfang an geplant, allerdings nicht so lange, wie es letztendlich wurde. Zuvor war ich schon zweimal in West Papua, allerdings zum Freediven. Nach drei Wochen Surfpause in Raja Ampat waren wir so gierig auf Wellen, dass wir es uns zum Ziel setzten, Wellen in Papua zu finden. Da es kaum Informationen oder präzise Forecasts gibt, folgten wir der Empfehlung von indonesischen Freunden. Ziel war eine Welle mit sehr viel Potenzial fernab von jeglicher Zivilisation. Keine Infrastruktur, keine Strassen, kein Netz. Nach vielen Überlegungen und langem Research war für uns klar, dass nur ein Segelboot als sichere Reisevariante in Frage kommt. Mit etwas Glück konnten wir über Freunde einen alten Katamaran chartern, der bei uns in der Nähe war und unser Vorhaben unterstütze. Auf dem Boot war noch ein Platz frei, da dachte ich sofort an Jelle, der gerade erst in Bali angekommen war und in eine ähnliche Richtung wollte. Mein Anruf an ihn war etwa so: ¨Hey Jelle, wir haben einen krassen Segeltrip zu einer der remotesten Wellen organisiert, und wir haben noch einen Platz frei. Wenn du mitkommen willst, geht dein Flieger morgen Abend. Gib mir bis heute Abend Bescheid.¨ – und er ist gekommen.

Auch wenn du nicht an exotischen Stränden surfst und filmst, bist du in der Schweiz eher ungewöhnlich unterwegs. Wie wohnst du und was arbeitest du?
Ungewöhnlich trifft es ziemlich gut. Ich wohne seit mittlerweile fünf Jahren in meinem selbst renovierten Zirkuswagen/Tinyhome mitten in Zürich. Saisonal arbeite ich für den Zirkus Chnopf, bin verantwortlich z.b. für die Kommunikation und reise auf der Tournee mit durch die ganze Schweiz. Den Rest des Jahres arbeite ich selbstständig in diversen kreativen Bereichen oder reise, um neue Projekte und Ideen umzusetzen und natürlich so viel wie möglich zu surfen.

Du bist kürzlich von einem Surftrip zurückgekommen, bei dem du im Norden Spaniens unterwegs warst. Was ist der grösste Unterschied zwischen einem Surftrip durch Spanien und einem Surftrip nach Papua?
Da gibt es natürlich viele Unterschiede, das erste ist wohl die Wassertemperatur, haha. Aber ich würde sagen, der grösste Unterschied liegt in der Zugänglichkeit und im Setting. In Spanien ist alles gut erschlossen. Es gibt zahlreiche Surfspots, Übernachtungsmöglichkeiten und verlässliche Forecasts, man kann relativ einfach planen und praktisch überall surfen. In Papua hingegen ist alles deutlich abgelegener, und Informationen zu Wellen oder Bedingungen sind schwer einzuschätzen. Die Reise dorthin ist ein richtiges Commitment. Man ist stärker auf Empfehlungen von Locals angewiesen und muss deutlich mehr planen und improvisieren. Dementsprechend sind die Risiken dort auch höher, man muss sich dafür extrem gut vorbereiten. Aber genau das macht den Reiz und die Intensität des Surfens dort aus.
Was war die Motivation für dich alleine nach Spanien zu reisen?
Bisher hatte ich immer das Glück, Menschen um mich zu haben, die Zeit für Surftrips hatten. Dieses Mal passte es zeitlich aber leider nicht. Deshalb ganz simpel eigentlich: Wenn ich diesen Trip machen will, musste ich es eben auch alleine wagen. Also habe ich mich alleine organisiert und kurzerhand einen Citroën Berlingo ausgebaut, um diesen Trip möglich machen zu können. Ich liebe die Atlantikküste Spaniens und hatte Fernweh nach Wellen, da gab es für mich keinen Grund, zu warten. Ich war schon einige Male an dieser Küste und es ist für mich der perfekte Ort für Surftrips im Spätsommer.

Planst du bald wieder eine Reise in exotische Gefilde? Falls ja, machen wir danach eine Ausstellung im Visitor? Das wäre toll.
Ja, wahrscheinlich geht es diesen Winter wieder von Januar bis Mitte März nach Asien. Ich bin gerade dabei zu planen wie, was und wo. Sehr gerne auch mit einer Ausstellung im Visitor danach, das würde mich riesig freuen!